Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch

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Konferenzdokumentation

Am 14.09.2023 fand in Berlin die DGB-Konferenz zur Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen und privatisierten Sektor statt. Im Rahmen der Initiative „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“ kamen dabei über 200 Teilnehmer*innen zusammen, um gemeinsam über Hintergründe und Lösungen des Gewaltproblems zu diskutieren.

DAS NEUE NORMAL?
GEWALT GEGEN BESCHÄFTIGTE IM ÖFFENTLICHEN UND PRIVATISIERTEN SEKTOR

APPELL VOM BUNDESPRÄSIDENTEN A.D.

© Danny Prusseit / DGB

Die Konferenz startete mit einem Aufruf von höchster Stelle: Bundespräsident a.D. Joachim Gauck appellierte in seiner Keynote an den Mut, gemeinsam für eine gute Gesellschaft einzustehen. Entschlossen hielt er fest: 

„Wir lassen uns nicht vorführen von denen, die mit Hass und Destruktion den gesellschaftlichen Zusammenhalt aushöhlen. Wir können es, wir sind nicht zum Zuschauen verurteilt, und wer wüsste das besser als die Gewerkschaften?!“

Kooperation gegen Gewalt

Eröffnet wurde die Konferenz durch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack, die in ihrer Begrüßungsrede den nächsten großen Schritt der Initiative verkündete: Ab sofort kooperiert der DGB mit der Opferhilfeorganisation WEISSER RING e.V. Gemeinsam wollen sie die Beschäftigten im Dienst der Gesellschaft noch besser gegen Gewalt stärken.

Teil der Kooperation ist neben Schulungen zu Gewaltprävention und Nachsorge auch ein Hilfetelefon für Betroffene. 

Unter der 0800 116 006 0 können sich Beschäftigte nach Gewalterfahrungen nun Hilfe holen – bundesweit, kostenfrei und anonym.

Fachlicher Austausch

Nach den eröffnenden Inputs von Hannack und Gauck ging es in den fachlichen Teil der Konferenz. In mehreren Fachforen ging es dabei zunächst um den Transfer von praktisch nutzbarem Wissen zu verschiedenen Themen rund um Gewaltprävention und Nachsorge.

Foren & Material

Alle Details und einzelne Präsentationen zu den Fachforen sind hier dokumentiert.

Forum 1: Prävention am Arbeitsplatz/Dienstposten

In Zeiten steigender Gewalt und Respektlosigkeit gegen Beschäftigte im Dienst der Gesellschaft sind wirksame Präventionsansätze von besonderer Bedeutung. In diesem Forum stellten wir daher das „Aachener Modell zur Reduzierung von Bedrohungen und Übergriffen am Arbeitsplatz“ vor, einen Leitfaden, der Organisationen bei der Entwicklung einer vorausschauenden Sicherheits- und Notfallorganisation unterstützt. Zudem präsentierten wir ein von der Stadt Köln entwickeltes Verfahren, das systematisch und digital den gesamten Prozess der Nachsorge abbildet: von der Meldung und Erfassung eines Übergriffes über das Stellen einer Unfall-Strafanzeige bis hin zur Begleitung durch psychologische Helfer*innen und die Führungskraft.

Referent*innen

  • Katrin Päßler, Bereichsleitung Arbeitssicherheit der Stadt Aachen zum „Aachener Modell“ 
  • Dolores Burkert, Leiterin des Zentrums für Kriminalprävention und Sicherheit bei der Stadt Köln

Forum 2: Konfliktbewältigung und Deeskalationsstrategien

In diesem Forum gingen wir dorthin, wo es schlimmstenfalls weh tut: zu kritischen Situationen, in denen Gewalt droht. Wir behandelten, welche Strategien deeskalierend wirken und was zu tun ist, falls die Entschärfung nicht gelingt. Zu lernen, Ruhe zu bewahren und sich mit den eigenen Befürchtungen auseinanderzusetzen, sind dafür wichtige Bausteine. Wer für den Ernstfall gerüstet ist, kann in kritischen Situationen oftmals Schlimmeres verhindern. Welche Strategien deeskalierend wirken, wie Gefahren minimiert werden können und welche Rolle die Körpersprache in Konflikten spielt, darüber sprachen wir mit Ronald Mikkeleitis.

Referent*innen

Forum 3: Hilfe für Betroffene nach Gewaltvorfällen im Dienst

Pöbeln, Schlagen, handgreiflich werden – Gewalt gegen Polizei- und Rettungskräfte sowie Beschäftigte in Ordnungs- und Sozialämtern, in Jobcentern, Schulen und Krankenhäusern, in Bussen und Bahnen hat viele Facetten. Doch unabhängig davon, wie schwer die von außen sichtbaren Verletzungen und Auswirkungen sind, ziehen Gewalterlebnisse oftmals psychische Symptome wie Angstzustände, Depressionen und Schlafstörungen nach sich. In diesem Forum geht es daher darum, wie Menschen aggressive und gewalttätige Vorfälle individuell erleben, und um das Thema Nachsorge. Im Fokus soll dabei auch die Fürsorgeverpflichtung von Arbeitgebern und Dienstherrn stehen, etwa bei der Anerkennung von Dienstunfällen oder dem dienstlichen Rechtsschutz. Wir geben Handlungsempfehlungen zum Umgang mit den Folgen von Gewalt und erörtern anhand praktischer Einblicke, welche Unterstützungsangebote genutzt werden können.

Referent*innen

  • Nicolas Colberg, Psychologe, Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie
  • Sebastian Baunack, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Verwaltungsrecht

Forum 4: Hass im Netz – Umgang mit Hate Speech und Co.

Ob Hasskommentare in Foren oder Videoaufnahmen beim Einsatz oder im Büro, ob Hänseleien in Chatgruppen oder das Stalken auf sozialen Plattformen – Hate Speech und Cybermobbing sind für Beschäftigte des öffentlichen und privatisierten Sektors keine Ausnahmeerscheinung mehr. Mit der Verlagerung der Kommunikation in die Sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter oder auf Nachrichtendienste wie WhatsApp ist es besonders leicht, andere zum Opfer zu machen. Denn die Täter*innen wähnen sich sicher in der Anonymität des Netzes. In diesem Forum ging es um die folgenden Fragen: Was ist Hate Speech? Wie erkennt man Hate Speech? Welche Folgen hat es für Betroffene? Und vor allem: Wie kann ich mich schützen und wo finde ich Hilfe? Wie gehe ich damit um, wenn ich im Dienst gefilmt werde?

Referent*innen

  • Johannes Eisenberg, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Straf- und Medienrecht
  • Dr. Stefanie Schork, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht
  • Babett Eichler, Weisser Ring e.V.

Forum 5: Schrittweise zur Dienstvereinbarung

Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen und privatisierten Sektor ist unmittelbar mit der Arbeitstätigkeit der Betroffenen verbunden und muss daher durch Arbeitsschutz-Maßnahmen abgestellt oder weitestgehend miniminiert werden. Dienstvereinbarungen können zu einem wirksamen Instrument für den Schutz der Beschäftigten werden, wenn sie Gefährdungsanalysen und Regelungen zu Sicherheits- und Präventionsmaßnahmen enthalten. In ihnen wird eine für alle Organisationseinheiten verbindliche und einheitliche Grundlage definiert, um die entsprechenden betrieblichen Voraussetzungen für einen sicheren und gewaltfreien Arbeitsplatz zu gewährleisten. Wie man eine solche Dienstvereinbarung erarbeitet, stellten wir anhand eines Praxisbeispiels aus Dortmund vor.

Referent

  • Frank Mülle, stellv. Personalratsvorsitzender Stadt Dortmund

Strategien der Gewerkschaften

In einem Town Hall Meeting tauschten sich Gewerkschaftsvertreter*innen anschließend über Strategien gegen Gewalt aus. Teilnehmer*innen hatten die Gelegenheit sich als Teil des Podiums direkt an der Diskussion zu beteiligen.

Ursachen der Gewalt

Professorin Dr. Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, in ihrem Impulsvortrag „Die Verrohung der Gesellschaft. Was ist dran?“ den Ursachen der Gewalt gegen Beschäftigte nachging und diese in den Kontext der aktuellen Krisen einordnete.

© Danny Prusseit / DGB

Politik in der Verantwortung

Zum Abschluss der Konferenz diskutierte Elke Hannack mit Politiker*innen mehrerer Parteien über politische Lösungsansätze für die Gewalt gegen Beschäftigte im öffentlichen und privatisierten Sektor.

Aktiv gegen Gewalt

Abgerundet wurde die Veranstaltung durch Gelegenheiten zum Austausch und zur Vernetzung der Teilnehmer*innen. Wir freuen uns auf die Stärkung der Initiative durch alle Teilnehmer*innen, die mit den gewonnen Erkenntnissen und geknüpften Kontakten das Problem der Gewalt gegen Beschäftigte vor Ort aktiv angehen. 

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